Oktober 2025
Am ARBES-Standort Roveredo hat Morena eine Beschäftigung gefunden, die sich beinahe anfühlt wie ein zweites Zuhause – seit 20 Jahren.
Morena ist psychisch beeinträchtigt. Für die 57-jährige Misoxerin ist die Anstellung bei der ARBES eine feste Stütze im Alltag. Auch, weil die Arbeit rundum auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten ist.
«Während ich arbeite, muss ich an nichts anderes denken», erklärt Morena auf die Frage, warum ihr die Arbeit bei der ARBES auch nach 20 Jahren immer noch so gut gefalle. Es sei ein bisschen wie Urlaub für den Kopf, eine wohltuende Entlastung, so die 57-Jährige. Eine sinnvolle Beschäftigung ist es obendrein: Morena wird von langjährigen Betreuerinnen sowohl agogisch als auch fachlich sehr individuell betreut.
Roveredo ist der südlichste Standort der ARBES,
weitere befinden sich in Chur und Rothenbrunnen.
Die geschützten Werkstätten sind mit insgesamt 37 Mitarbeitenden, 6 Lernenden und 230 betreuten Angestellten ein wichtiger Bereich der Psychiatrischen Dienste Graubünden. Menschen mit psychischer Beeinträchtigung fertigen hier hochwertige, kreative, praktische und saisonale Produkte her und führen interne wie externe Dienstleistungen durch.
Auge fürs Detail
Hochkonzentriert und mit einem scharfen Blick für gerade Linien und saubere Abschlüsse sitzt Morena an ihrer Nähmaschine. Neben ihr stapeln sich Baumwolltücher, deren Ecken sie so abnäht, dass der Stoff später einen Holzdeckel mit Schaumstoffmatte verkleidet, der als Sitzgelegenheit einer Spielzeugkiste dienen wird. Geschickt legt sie den Stoff in Falten, Kante exakt auf Kante. Sie weiss genau, wo sie eine Lücke für den Gummizug lassen, welche Knöpfe sie drücken oder wann sie das Garn wechseln muss.
Eingetreten war Morena damals, weil eine Anstellung auf dem ersten Arbeitsmarkt
einfach nicht mehr möglich war.
Die italienischsprachige Bündnerin ist in Roveredo aufgewachsen, hat hier die Schule abgeschlossen und eine Lehre begonnen, dann jedoch als Reinigungskraft gearbeitet. Nach fast zehn Jahren wurde die psychische Belastung für sie zu gross und sie bekam das Angebot, am 2004 gegründeten Standort der ARBES in Roveredo zu starten.
Damals bekochte und betreute ein Teil des ARBES-Teams Roveredo den «internen» Mittagstisch der ARBES, der Wohngruppe Rovel und des kantonalen Einsatzprogrammes für Arbeitslose. Morena war in der Küche beschäftigt: «Das Kochen hat mir grossen Spass gemacht. Vor allem, weil ich viele Gerichte selbstständig umsetzen und bis zu 15 Personen bekochen durfte.» Eine Zeit, die sie geprägt hat: Bis heute kocht sie sehr gern und lädt regelmässig Kollegen zum Essen nach Hause ein.
2017 zügelte die ARBES in neue Räumlichkeiten in Roveredo, wo heute 13 betreute Mitarbeitende und drei Betreuerinnen tätig sind. Neben der Textilwerkstätte, der Morena seither angehört, gibt es am Standort auch ein kleines Holzatelier, Wäsche-Service und einen Direktverkauf. Alle Produkte sind ebenfalls im Online-Shop erhältlich.
Musik muss sein
Nicht immer verlief ihr Leben so gleichmässig und geradlinig wie der Faden einer Nähmaschine. Mittlerweile aber sind Morenas Wochen voller schöner Momente. Neben der Arbeit in der ARBES, die vier Vormittage umfasst, geht sie zahlreichen Interessen nach.
Wöchentlich besucht sie beispielsweise eine Bibelandacht und ist in der Kirchgemeinde aktiv. Daneben blüht sie in der Musik so richtig auf. Seit vielen Jahren spielt sie Querflöte in einem lokalen Orchester, übt regelmässig und liebt die Proben. Auf Konzertreisen allerdings hat sie sich bislang noch nicht gewagt. Stolz ist die Hobbymusikerin auch auf die Auszeichnung des Kirchenchores, die sie kürzlich erhalten hat: Nach 30 aktiven Jahren wurde sie als «Veteranin» geehrt.
Aber Aufhören, um etwas mehr Luft in die Freizeitgestaltung zu bringen?
«No!» – davon will sie noch nichts wissen.
Morena lebt bislang, mit Unterstützung des mobilen Pflegedienstes, alleine in ihrem Elternhaus. Sie besitzt ein eigenes Auto und besucht Therapiestunden. Die Holz- und Zeichenarbeiten dort helfen ihr, ihre Gedanken zu fokussieren, mit sich in Stille zu sein und neuen Ideen Raum zu geben.
An Ideen und Neugierde mangelt es ihr tatsächlich nicht: Für mehrere Monate lebte sie als junge Frau in München, um Deutsch zu lernen. Bis heute hat Morena eine ausgezeichnete Aussprache und grosse Freude an der Fremdsprache. Neben Kunst und Musik ist das eine weitere Ausdrucksform, die das Leben der kreativen Frau bereichert.